Es ist Montag, 16:00 Uhr. Für den Azubi Dario endet ein weiterer Arbeitstag. Doch das Werksgelände verlässt er deshalb noch lange nicht. Statt nach Hause zu gehen, steuert er das Ausbildungszentrum an. Als er dort eine unscheinbare Tür öffnet, finden sich in dem Raum neben den Pneumatikanlagen auch Computer. Und zwar nicht irgendwelche: Mehrere Hightech-Endgeräte, ausgestattet mit einem kräftigen Intel Core i9 und einer leistungsstarken Nvidia RTX 4080, stehen dort. Vor den meisten Rechnern liegen hochwertige Tastaturen und Mäuse sowie PS5-Controller. „Das hier ist unser E-Sport-Raum“, erzählt Dario Pischel stolz. Währenddessen treten weitere Azubis durch die Tür, setzen sich an die Tische und fahren ihre Rechner hoch. Denn sie alle haben etwas gemeinsam: Sie sind Teil des Krones E-Sports-Teams.
Wenn bei Krones die Tastaturen klackern und auf dem Bildschirm Pixel-Tore fallen, mag das zwar ungewöhnlich scheinen, für 35 Azubis gehört es aber seit rund einem Jahr zum After-Work-Alltag. Denn sie sind Teil eines neugegründeten E-Sports-Teams und sind der Beweis dafür, dass Ausbildung und Gaming perfekt zusammenpassen.

Statt Flutlicht: Bildschirmglühen
Was früher als Nischenhobby oder „Randsportart“ galt, hat sich mittlerweile zur globalen Bewegung entwickelt, die eine gut vernetzte und stetig wachsende Online-Community umfasst, insbesondere in der Gruppe der 15- bis 35-Jährigen. Mit einer Vielzahl an Profiteams und Events, die Hallen mit Zehntausenden von Besuchenden füllen und Millionen vor den Geräten erreichen, hat E-Sport auch in Deutschland einen festen Platz eingenommen:
- eFootball: FIFA 21 ist das meistgesehene der von Electronic Arts veröffentlichten FIFA/FC-Reihe auf der Streaming-Plattform Twitch. Etwas über 61 Millionen Stunden verfolgten Zuschauende im November 2020, wie der Pixel-Ball über den digitalen Rasen rast.
- Turniere: Die League of Legends World Championship ist eines der bekanntesten E-Sports-Turniere. Im Jahr 2024 verfolgten über 6,5 Millionen Zuschauende weltweit das Event live, sowohl von der O2-Arena in London aus als auch über die Streaming-Plattformen Twitch und YouTube. An die partizipierenden Teams wurde insgesamt ein Preisgeld von über 2.250.000 US-Dollar ausgeschüttet.
- Professionelle Spielende: Profi-Sportlerin oder -Sportler sein geht auch im E-Sport-Bereich. Mit herausragenden vier Millionen US-Dollar steht KuroKy aus Deutschland auf Platz eins der bestverdienenden Profi-Gamer. Attraktiv sind außerdem Fußballvereine wie Schalke 04 oder der FC Bayern München, von denen viele bereits ein eigenes E-Sports-Team haben: Bis zu 10.000 Euro Gehalt sind möglich.
Mit Maus, Mut und Mehrwert
Warum gründen auch Unternehmen wie Krones eigene Teams? Darauf hat Dario eine Antwort: „Ich beschäftige mich schon länger mit dem Thema E-Sport. Das gilt auch für meine Freunde und Freundinnen hier bei Krones, sie spielen ebenfalls sehr gerne. Da kam dann die Idee auf, ein eigenes Team zu gründen. Und in Rücksprache mit dem Vorstand, dem Betriebsrat und der Ausbildungsleitung haben wir unser Vorhaben dann in die Tat umgesetzt. Um aber wirklich sicher zu gehen, dass das Angebot gut ankommt, haben wir eine Umfrage gemacht, die zu Gunsten der Gründung eines Teams ausfiel.“
Einerseits ergeben sich also Vorteile für die Auszubildenden, die gemeinsam ihrem Hobby nachgehen dürfen, aber auch für Krones als Unternehmen gibt es gute Gründe, das junge Team zu unterstützen: „Uns ist wichtig, dass wir weniger in Werken denken und mehr das ‚Wir‘ in der Ausbildung hervorheben, vor allem im Hinblick auf Teamkompetenz sowie organisatorische, aber auch persönliche Kompetenzen. Außerdem sollen Kommunikation und Konzentrationsfähigkeit verbessert werden, denn: Beim Spielen muss man fokussiert, konzentriert und aufnahmefähig sein und bleiben. Sowas hilft uns dann auch im Arbeitsleben“, erklärt Björn Brendemühl, Head of Industrial Training bei Krones. Doch er denkt nicht nur an die aktuellen Azubis, sondern auch an alle, die sich vielleicht bei Krones durch eine Ausbildung bewerben möchten: „Wir versprechen uns davon aber auch, dass wir als Krones von unserer Recruiting-Zielgruppe – den Schülerinnen und Schülern – als attraktiver, moderner Arbeitgeber wahrgenommen werden. Wir wollen sie erreichen, sodass sie Anreiz haben, sich bei uns zu bewerben. Damit präsentieren wir uns als eine starke Marke, die innovativ und mutig ist, und ihre Zielgruppe versteht“, so Björn Brendemühl.
Wir wollen weniger in Werken denken und mehr das ‚Wir‘ in der Ausbildung hervorheben, vor allem im Hinblick auf Teamkompetenz, organisatorische, aber auch persönliche Kompetenzen.
Björn BrendemühlHead of Industrial Training
Eine klare Strategie
Aber Zocken ist nicht gleich Zocken. Im Vorfeld überlegte sich das Team rund um Dario natürlich, was bei der Gründung der hauseigenen Mannschaft zu beachten ist. Neben der eigenen Satzung gibt es noch eine weitere Neuheit: „Wir haben uns eine Struktur überlegt: Es gibt drei Azubi-Leads, also Gruppenverantwortliche. Sie kümmern sich um die Organisation sowie die Rahmenbedingungen und sorgen dafür, dass unsere Satzung umgesetzt und eingehalten wird. Weitere Azubis übernehmen Positionen wie Aufbautätigkeiten oder Kommunikation, andere wiederum die direkte Aufsicht über die verschiedenen Spiele”, erklärt Dario Pischel und Björn Brendemühl ergänzt: „Außerdem haben wir das E-Gremium eingeführt, das aus der Ausbildungsleitung, einem Ausbilder, dem Betriebsrat und den Leads besteht. Dieses ist für Satzungsänderungen und Anpassungen der Strategie verantwortlich und lässt eine Diskussion aller Beteiligten auf Augenhöhe zu.“

Der Inhalt dieser Satzung umfasst zum Beispiel auch, wann gespielt wird und welche Spiele: So ist beispielsweise geregelt, dass das Training nur außerhalb der Arbeitszeit stattfindet – Events wie Turniere wiederum werden meist nach Feierabend, bei Maßnahmen im Sinne des Azubi-Marketings aber auch während der Arbeit ausgetragen. Ego-Shooter und gewaltverherrlichende Spiele werden selbstverständlich nicht in die Spieleauswahl aufgenommen. Auch wer eigentlich mitspielen darf, ist in der Satzung verankert: nämlich alle Auszubildenden der vier deutschen Standorte. So soll der Kontaktaufbau zu den Azubis ermöglicht werden, denen man eben nicht jeden Tag über den Weg läuft. Um dem Team beitreten zu können, ist es übrigens nicht wichtig, besonders gut im Spielen zu sein. „Alle dürfen mitmachen. Nur bei grobem Fehlverhalten – etwa dem Installieren schadhafter Software – kann ein Ausschluss erfolgen“, erklärt Andreas Gebhardt, Ausbilder bei Krones und Mitglied des E-Gremiums.
Ein breit gefächerter Spielekatalog
Prävention ist das A und O
„Ein Thema, das das Projekt von Anfang an begleitet hat, ist die potenzielle Suchtgefahr”, erzählt Björn Brendemühl. Zurecht: „Zocken“ ist bei vielen jungen Menschen ein beliebtes Hobby – das aber auch Gefahren birgt (siehe Kasten).
Gefahr „gaming disorder“
Eine Studie der DAK-Gesundheit zeigt: Ganze 72 Prozent der 12- bis 17-Jährigen geben an, regelmäßig am Computer zu spielen. Davon sind rund 15,4 Prozent suchtgefährdet, 4,3 Prozent sind bereits betroffen. Die „Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme in elfter Revision“, kurz ICD-11, definiert die Computerspielsucht (engl. „gaming disorder“) als anhaltendes oder wiederkehrendes Spielverhalten, das sowohl online als auch offline stattfinden kann. Typische Symptome sind die Beeinträchtigung der Kontrolle über das Spielen, dessen zunehmende Priorität vor anderen Lebensinteressen und täglichen Aktivitäten sowie das Fortsetzen des Spielverhaltens, obwohl negative Konsequenzen auftreten. Das kann sich persönlich, familiär, sozial und schulisch, aber eben auch beruflich auswirken.
„Genau deshalb ist Aufklärung und Begleitung ein fester Bestandteil unseres Konzepts – nicht nur digital, sondern ganz real.” Das erklärt Antonia Meier vom Krones Health Management, die sich um die Durchführung des Präventionsprogramms kümmert. Denn noch bevor der Gaming-Rechner zum ersten Mal hochgefahren werden darf, müssen alle neuen Teammitglieder an einem 90-minütigen Seminar des Gesundheitsmanagements teilnehmen – interaktiv, standortübergreifend und praxisnah. „Uns ist wichtig, Chancen und Risiken von E-Sport offen anzusprechen”, führt Antonia Meier aus. „Gaming kann bereichern, aber nur mit Balance. Wir wollen, dass unsere Azubis vorbereitet sind – nicht unkritisch, sondern bewusst und dass sie die Merkmale und Abfolge einer Spielsucht kennen.“ Auch das verantwortliche Gremium geht mit gutem Beispiel voran: Es absolviert ebenfalls die Schulung, trifft sich regelmäßig zu Besprechungen und dokumentiert Spielzeiten zum Schutz der restlichen Teammitglieder.
Gemeinsam zocken, gemeinsam wachsen
Das Training lohnt sich: Das E-Sports-Team tritt nun auch in ersten Turnieren an. Neben dem internen Krones eCup, einem über mehrere Monate laufenden Turnier mit fünf verschiedenen Spielen, finden auch regelmäßige Begegnungen mit externen Partnern statt. So trat das Team bereits beim Unternehmensturnier des Bayerischen Fußballverbands (BFV) an – und belegte direkt Platz zwei. Ein besonderes Highlight war die kürzlich gestartete Zusammenarbeit mit dem E-Sports-Team des Profi-Fußballclubs SSV Jahn Regensburg. Im Jahnstadion trafen sich beide Seiten zur gemeinsamen Talkrunde, in der Themen wie Zeitmanagement, Spielsuchtprävention und Kommunikation diskutiert wurden – gefolgt von einer Stadionführung und einer freundschaftlichen Runde EA FC.
Und so geht es weiter: Im Juni ist ein Freundschaftsspiel mit dem Jahn geplant und auf der „Welcome Week“, der Willkommensveranstaltung für neue Azubis, im September wird das Team sich mit seinem Gaming-Angebot präsentieren. Das Ziel bleibt klar: den Teamgeist stärken, Verantwortung übernehmen – und gemeinsam Spaß haben.